Der neugierige Blick in die Zukunft und der Wunsch, das eigene Schicksal zu kennen, ist vermutlich so alt wie die Menschheit selbst. Das Orakel von Delphi, die Prophezeiungen des Nostradamus, die Glaskugel der Wahrsagerin auf dem Jahrmarkt, die futuristischen Zeichnungen von Jean-Marc Côté und anderen französischen Künstlern sind nur einige Beispiele einer langen Liste - kaum etwas beschäftigt uns Menschen so sehr wie das Gedankenspiel “Was wird passieren?” In der heutigen Zeit voller Datenerhebung und Prognosen ist diese Frage weit weniger abstrakt und esoterisch, sondern wird (nicht zuletzt in fast jedem Bewerbungsgespräch mit der beliebten Frage “Wo sehen Sie sich selbst in 5 Jahren?”) sehr konkret: Wie entwickelt sich die Berufswelt - oder ein spezifisches Berufsbild? Im Rahmen der Blogparade des Projektmagazins wollen wir uns genau damit auseinandersetzen: “Projektleiter 2030 – längst abgeschafft oder Schaltzentrale der digitalen (Projekt-)Welt?”

Welche Fähigkeiten eines Projektleiters sind unersetzbar?

Wir schreiben das Jahr 2018, bis 2030 sind es also noch ganze 12 Jahre. Was in 12 Jahren passieren kann, lässt sich am einfachsten dadurch verbildlichen, dass es 2006 noch nicht mal ein iPhone gab - und überlegen Sie mal, wie viel sich seitdem (und dadurch) verändert hat. Seien wir ehrlich: Bei der Geschwindigkeit, in der eine technologische Innovationen die nächste jagt und die Digitalisierung unserer Gesellschaft fortschreitet, können wir zumindest sagen, dass sich die Rolle des Projektleiters bis 2030 bedeutend ändern wird. Um jedoch zu prognostizieren, in welche Richtung diese Änderung geht, macht es Sinn, die einzelnen Aufgaben eines Projektleiters genauer unter die Lupe zu nehmen und zu betrachten, welche davon entweder schon heute oder in absehbarer Zukunft durch technische Hilfsmittel verändert werden - und in welcher Form.

Projektdefinition: Anforderungen automatisiert erfassen

Im Zeitalter der “On Demand”-Wirtschaft, die immer höhere Ansprüche der Kunden an das Endergebnis eines Projekts zur Folge hat, ist es unbedingt nötig, das Projektziel von Anfang an nach den Bedürfnissen des Kunden auszurichten, selbst wenn sich diese im Verlauf des Projektes oder im Rahmen einer agilen Herangehensweise ändern. Um diesem Anspruch als Projektleiter gerecht zu werden, ist es nötig, so viele und detaillierte Vorgaben wie möglich zu haben, bevor das Projekt überhaupt beginnt. Nicht der Projektleiter sollte die Projektdefinition liefern, sondern der Auftraggeber selbst. Das kann schon heute mit einem entsprechend aufgesetzten, eindeutigen Anfrageformular automatisiert werden. Das heißt jedoch nicht, dass der Projektleiter in diesem Stadium des Projekts ersetzbar wäre - ganz im Gegenteil. Es liegt in seiner Verantwortung, die Bandbreite der Aufträge zu antizipieren und die Anfrageformulare so zu entwerfen, dass alle Auftraggeber ihr Anliegen vollumfänglich einreichen können. Wenn diese eingereichten Vorgaben, die das Projektziel definieren, in einem zentralen System abgelegt sind, sind die Erwartungen von Anfang an für alle klar dokumentiert.

Projektorganisation: Projekte standardisieren

Nicht alle Projekte laufen gleich ab, aber sie sind auch in den seltensten Fällen einzigartig. Wenn die Prozesse, die ein Projekt durchlaufen muss, einmal festgelegt sind, kann in den meisten Fällen eine Vorlage erstellt werden. Das ermöglicht die Automatisierung der Projektorganisation, sodass bei einem neuen Projekt nur die jeweils benötigte Vorlage ausgewählt werden muss - sofern dies nicht ebenfalls durch intelligente Auftragsannahme automatisch geschieht. Das Ziel ist, durch Automatisierung zeitaufwändige und sich wiederholende Routine zu reduzieren und die Wiederholbarkeit und die Vorhersehbarkeit der Ergebnisse zu maximieren. Die Aufgabe des Projektleiters verlagert sich in diesem Fall vor das eigentlich Projekt, indem er die entsprechenden Prozesse und Vorlagen aufsetzt. Trotz anschließender Automatisierung handelt es sich dabei allerdings nicht um eine einmalige Tätigkeit. Die Prozesse sollten regelmäßig überprüft und optimiert werden, denn auch wenn 2030 noch in weiter Ferne ist, sind wir uns vermutlich alle einig, dass sich die Projektarbeit stetig weiterentwickeln und verändern wird.

Projektplanung: Agil und flexibel reagieren

Projekte sollen schneller abgeschlossen werden, kosteneffektiver und darüber hinaus auch noch kreativ sein - das gilt heute und wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Was bedeutet dies für Projektleiter? Sie müssen flexibler und agiler sein. Agilität ist eines der großen Themen im Projektmanagement der letzten Jahre und angesichts der sich verändernden Wirtschaftswelt im Zuge der digitalen Transformation wird es zu einer Schlüsseldisziplin werden, die fortschreitende Arbeit schnell an neue Vorgaben oder Gegebenheiten anzupassen. Agile Arbeitsmethoden helfen dabei, nicht nur die Projektplanung, sondern die gesamte Projektarbeit organisiert zu halten und gleichzeitig kontinuierlich zu verbessern. Dass dabei der Projektleiter nach wie vor eine wichtige Position einnimmt und nicht so einfach wegrationalisiert wird, können Sie in unserem Artikel zur Scrum-Methode nachlesen.

Kommunikation: Eine “Single Source of Truth” bereitstellen

Die Festlegung der geeigneten Kommunikationsstrukturen wird auch in Zukunft einer der Kernpunkte für effektive Zusammenarbeit und damit für die Projektarbeit unabdingbar sein. Der Austausch von Informationen über Fortschritte und Probleme, aber auch Feedback und Freigaben muss klar koordiniert werden, um Projekte erfolgreich im Rahmen der Budgets und zur Zufriedenheit des Kunden abzuschließen. Um die Kommunikation schlank und klar zu halten und Missverständnisse zu vermeiden, ist eine “Single Source of Truth” Grundvoraussetzung: Alle Arbeit und die Kommunikation dazu wird in einem System abgelegt, das jedem Mitarbeiter zugänglich ist. Wie bei den zuvor erwähnten technischen Hilfsmitteln gilt jedoch auch hier: Die Regeln, wie diese Single Source of Truth von allen zu nutzen ist, müssen vom Projektleiter festgelegt und regelmäßig auf Relevanz und Wirksamkeit überprüft werden. Die Art und Weise der Kommunikation wird sich weiterhin digitalisieren und verändern (was nicht zuletzt durch den Erfolg von Whatsapp, Snapchat und Slack belegt werden kann) und klare Richtlinien daher umso nötiger machen.

Projektcontrolling: Die richtigen Daten auswerten

Big Data und Advanced Analytics sind zwei Schlagworte, die schon heute die Geschäftswelt prägen und auch im Projektmanagement dazu beitragen können, einen granularen Überblick über alle Ressourcen zu behalten. Zudem kann Advanced Analytics dabei helfen, Risikofaktoren zu identifizieren und diese Daten für das Risikomanagement verwertbar zu machen. Es ist absehbar, dass die Erfassung und Analyse von Datenquellen in den nächsten Jahren mit dem Fortschritt der Technik immer weiter automatisiert wird - dennoch muss es jemanden geben, der das Endergebnis zu deuten weiß, und an diesem Punkt kommt der Projektleiter wieder ins Spiel. Denn es wird weiterhin seine Aufgabe sein, auf Grundlage dieser Daten Entscheidungen abzuwägen und begründet zu treffen. Es liegt außerdem in der Verantwortung des Projektleiters die Maßstäbe festzulegen, die als Anhaltspunkt der Datenanalyse verwendet werden.

Projektdokumentation: Weniger Zeit verschwenden

Die Dokumentation des Projektfortschritts ist eine Aufgabe, die Projektleiter gut und gerne an ein Arbeitsmanagement-System abgeben können. Wenn alle Informationen zu einem Projekt an einem Ort gesammelt sind, der von allen Stakeholdern und sogar den Auftraggebern eingesehen werden kann, sind keine langwierigen Statusupdates mehr nötig. Die dadurch freigewordene Zeit kann stattdessen für strategische Meetings genutzt werden, wenn sich beispielsweise die Vorgaben des Auftraggebers ändern. Das ermöglicht dem Projektleiter und seinem Team, flexibel auf jeden Wandel reagieren zu können.

Mitarbeiterführung: Mensch sein

Die Mitarbeiterführung fällt in einen Bereich, der so eng mit einer menschlichen Person verknüpft ist, dass man sich aus heutiger Sicht nur schwer vorstellen kann, einen Projektleiter in den nächsten 12 Jahren durch Technik zu ersetzen. Denn auch wenn die Künstliche Intelligenz enorme Fortschritte macht - kann ein Roboter wirklich ein Teamgefühl oder ein positives Arbeitsklima schaffen? Und die vielleicht wichtigere Frage: Würden sich Menschen tatsächlich von einer Maschine führen lassen? Die Frage, ob Führungskompetenz durch Technik ersetzt werden kann, ist eine Gratwanderung zwischen Machbarkeit und Akzeptanz und es liegt nun an Projektleitern (und anderen Führungspersonen), diese Kompetenz zu bewahren und kontinuierlich auszubauen.

Konzentration auf das Wesentliche

Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass die Rolle des Projektleiters im Zuge der Digitalisierung vermutlich an Dimension verliert - aber dadurch an Profil gewinnt. Mithilfe intelligenter Automatisierung lassen sich Routineaufgaben und Verwaltungsorganisation minimieren, sodass der Projektleiter der Zukunft sich verstärkt auf die Führung des Teams und die strategische Ausrichtung einzelner Projekte und der gesamten Arbeit konzentrieren kann. Gleichzeitig fällt ihm die Rolle zu, den Rahmen vorzugeben, in dem technische Hilfsmittel genutzt werden und die einzelnen Komponenten für die effiziente Nutzung aufzusetzen. Der Schlüssel, um die Relevanz des Berufsbildes zu erhalten und zur “Schaltzentrale der digitalen (Projekt-)Welt” zu werden, liegt also in der Weiterentwicklung der sozialen und strategischen Kompetenzen und darin, den Digitalisierungsprozess aktiv zu gestalten und als Chance wahrzunehmen.